08. Februar 2024 Interview zu LdE im Vorbereitungsdienst

Wie Referendar*innen in Sachsen mit LdE ausgebildet werden

Seit 2023 orientiert sich die Lehrerausbildungsstätte Annaberg-Buchholz in Sachsen an Lernen durch Engagement. Im Interview spricht Nadja Seidel über die Beweggründe der Ausbildungsstätte und über erste Erfahrungen mit LdE im Referendariat

Welche Rolle spielt LdE in Eurer Ausbildung von Lehrer*innen?

Unsere Lehrkräfte in Ausbildung verbringen einen Tag pro Woche bei uns, den Rest der Woche sind sie an Schulen. Der Vorbereitungsdienst von 18 bzw. 12 Monaten basiert auf einem Curriculum mit fünf Schwerpunkten, wie etwa: Planung und Reflexion von Unterricht, Lernwirksamer Unterricht, Individuelle Förderung und Umgang mit Heterogenität. Zu den Ausbildungsinstrumenten gehört neben Unterrichtsbesuchen auch die Praxisaufgabe: Diese wurde im Februar 2023 neu konzipiert, vereint Inhalte eines jeden Schwerpunktes und orientiert sich an Lernen durch Engagement.  

Wie kam es dazu, die Praxisaufgaben mit LdE zu gestalten?

Früher gab es für jeden Schwerpunkt eine Praxisaufgabe. Unser Eindruck war, dass die Praxisaufgaben häufig hinten herunter gefallen sind und eher kurz vor knapp abgearbeitet wurden. Das war für alle Beteiligten unbefriedigend, da das vernetzte und praktische Lernen wichtig ist. Auf einer Konferenz für Hauptseminarleitungen habe ich dann an einem LdE-Workshop teilgenommen und gemerkt: Alle Qualitätsstandards für LdE sind ohnehin in unseren Schwerpunkten verankert. Das wäre der perfekte Rahmen, um für unsere Praxisaufgabe didaktisch einzubetten — und um Kindern nachhaltiges Lernen zu ermöglichen, weil Selbstwirksamkeit unglaublich die Motivation erhöht.

Wie genau seid Ihr dann vorgegangen?

Zunächst haben sich unsere Ausbilder*innen zu LdE geschult, unter anderem über Online-Kurse. Auch die Unterstützung der Koordinierungsstelle für LdE in Sachsen und der Materialpool waren sehr hilfreich. Und dann startete auch schon der erste Jahrgang an Lehrkräften in Ausbildung: mit mehr als 50 LdE-Projekten, die sie an Grundschulen in Sachsen umgesetzt und begleitet haben. 

Welche Erfahrungen haben die angehenden Grundschullehrer*innen dabei gemacht?

Als größte Herausforderung empfanden die meisten, derart junge Schüler*innen dabei zu begleiten, einen realen gesellschaftlichen Bedarf aufzuspüren, und den Unterricht dann fachlich darauf auszurichten. 'Wir geben vor, ihr macht nach': Das prägt leider immer noch häufig pädagogische Vorstellungen. Unsere Evaluation zum 'Most Significant Change' aber zeigte, dass viele Lehrkräfte in Ausbildung dabei doch erlebten: Mitbestimmung und Freiräume können sogar in der Grundschule funktionieren — dass schon Kinder in der Lage sind, eigenverantwortlich zu handeln. Gerade junge angehende Lehrer*innen haben sich begeistert gezeigt und sagten, viel aus der LdE-Erfahrung mitgenommen zu haben.

Wie reagieren die Schulen, an denen Eure Lehrkräfte in Ausbildung tätig sind?

Wir haben festgestellt, dass es einen großen Unterschied macht, Mentor*innen und Schulleitungen von vornherein mit ins Boot zu holen. Projektbasiertes Lernen wie LdE wird stellenweise als Belastung empfunden, die Lehrer*innen davon abhalte, 'den Stoff durchzukriegen'. Wie viel Kinder dabei lernen, wird oft nicht gesehen. Dafür wollen wir Schulen nun stärker aufschließen.

Was erhoffst Du Dir davon, LdE ins Referendariat einzubinden?

Ich finde es absolut genial, LdE auf die Ausbildung von Lehrer*innen anzuwenden. Ich hoffe, dass wir so eine Generation von Lehrer*innen unterstützen, die selbstverständlich in Teams arbeiten, die nachhaltiges Lernen initiieren und für die das Interesse der Kinder der Ausgangspunkt ihrer Unterrichtspraxis ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

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