Rückblick

Service-Learning-Tagung 2021

Vom 28. bis 30. September 2021 kamen Menschen aus ganz Deutschland digital auf der 14. Service-Learning-Tagung zusammen. Hier finden Sie Aufzeichnungen einzelner Programmpunkte – und sieben Thesen zu Lernen durch Engagement, mit denen wir aktuelle Entwicklungen festhalten und einen Ausblick wagen

Der Stand der Dinge: 7 Thesen zu LdE

Welche Chancen und Herausforderungen für die Verbreitung und Verankerung von LdE hat die Service-Learning-Tagung 2021 gezeigt? Was hat das bundesweite Netzwerk Lernen durch Engagement zwanzig Jahre nach dem Start von LdE in Deutschland erreicht, und welche neuen Richtungen zeicheten sich im Austausch miteinander ab? Wir nehmen Sie mit in einige Highlights unserer Tagung und stellen diese sieben Thesen zur Diskussion:

Lernen gelingt umso besser, wenn junge Menschen persönlich interessiert, woran sie arbeiten

„Selbstbestimmung ist die größte Kraft, die Leute in Bewegung bringt", sagte Prof. Dr. Olaf-Axel Burow in seiner Keynote unserer Tagung. So sei selbstgesteuertes Lernen, das den eigenen Neigungen folgt und mit den Lernzielen von Bildungsplänen verbindet, entscheidend für motivierte Schüler*innen. Das war der Ausgangspunkt der LdE-Reise von Schulleiter Ulf Nebe, der mit seinem Kollegium jene motivierenden Bedingungen in der Schule schaffen wollten, die die Lehrer*innen in Praktika beobachteten: "Schüler*innen sind durchaus aktiv, wenn sie losgelassen werden und ihren eigenen Fragen nachgehen dürfen", sagte Ulf Nebe in seinem Impuls-Dialog mit Dr. Joachim Herrmann.

"Es war erstaunlich, wie sehr die Schüler*innen von Fragen, die sie sich gestellt haben, gepackt sind. Wie sie Lösungen entwickeln wollen, und dabei nicht mehr auf die Uhr guckten, sondern eine eigene Motivation entwickelten", berichtete Karl Drews in seinem LdE-Schulbeispiel, Lehrer an der Berliner Max-Beckmann-Oberschule. Dass junge Menschen mit LdE nachhaltige Selbstwirksamkeit erleben, bestätigte Schülerin Paula Reuter im Dialog mit ihrer Lehrerin Romana Schneider: Auch Kinder und Jugendliche würden schon eine Rolle in der Gesellschaft spielen, "und dass man etwas bewirken kann, das lernt man erst durch solche Projekte."

Die Herausforderungen der Zeit fordern fächerübergreifendes Praxislernen

"Das Konzept unseres Unterrichts ist 'Handeln lernen und handelnd lernen'. Alles zu wissen ist gar nicht möglich, aber LdE ist eine Möglichkeit zu lernen, wie ich mir in bestimmten Situationen Wissen beschaffen kann, wie ich lerne zu lernen, wie ich lerne, mich in einer sozialen Umwelt zu orientieren. Und es ist eine Möglichkeit zu lernen, Projekte zu planen", sagte Karl Drews in seinem LdE-Schulbeispiel. "Diese Fähigkeiten sind meines Erachtens besonders wichtig – und kommen im regulären Unterricht in der Schule noch viel zu kurz."

Prof. Dr. Olaf-Axel Burow pflichtete dem in seinem Vortrag bei: Um Probleme lösen zu können, müssten Schüler*innen "fächerübergreifend arbeiten, interdisziplinär, vielleicht sogar transdisziplinär. Und das bedeutet: Wir brauchen viel stärker projektorientiertes Lernen." Grundlegend sei dabei, wie Wissen und Kompetenz verstanden und mit einander verwoben würden.

Einen Effekt einer solchen Lernkultur machte Lehrerin Petra Lehner vom Johann-Michael-Fischer-Gymnasium Burglengenfeld in ihrem LdE-Schulbeispiel deutlich: In dem vorgestellten Projekt entwickelten Schüler*innen einer 11. Jahrgangsstufe während der Pandemie einen Koffer für Grundschulen für sichere Chemie-Experemente im Distanzunterricht. Vom Versuchsaufbau über die Ideenfindung möglicher Experimente, die Logo-Entwicklung oder das Verfassen von Anleitungen bis hin zur Organisation, 75 Koffer mit jeweils 2.000 Einzelteilen zu packen: "Für alle war etwas dabei – wirklich alle haben eine Rolle gefunden, die genau ihr Ding war. Das war toll."

Nachhaltige Veränderung von Schulkultur setzt bei dem an, was da ist – und gut ist

"LdE war eines der zarten Pflänzchen, die es schon gab", sagte Ulf Nebe, Schulleiter des Hamburger Gymnasium Allee. "Wollen wir das nicht ausbauen?", lautete dann eine Idee des Kollegiums, das gemeinsam nach Wegen suchte, um Kinder und Jugendliche in ihrer Schule mehr Selbstwirksamkeit erleben zu lassen. Ein Ergebnis: Aktuell bietet die Schule ihren Achtklässler*innen LdE als Schulfach an – was einschlage wie "eine Bombe" und auf großes Interesse der Schüler*innen stößt.

Prof. Dr. Olaf-Axel Burow empfiehlt dementsprechend: "Fragen Sie nicht, was schief läuft. Schauen Sie, wie Sie vorgehen, wenn etwas gelingt." Und: Wie mehr davon möglich werden könnte. "Das, was wir in Zukunft wollen, ist zum Teil ja schon da", sagte der Lehrer und Zukunftsforscher.

Für die Verankerung von LdE kann das bedeuten, als Schulkollegium zu erkennen, längst schon Räume für mehr Partizipation von Schüler*innen, für kooperatives Lernen, außerschulisches Lernen, Projektlernen etc. geschaffen zu haben: "Eigentlich machen wir LdE schon seit Jahren. Jetzt hat das Kind einen Namen, und unser Kollegium ist begeistert von LdE – weil wir uns als Schule nach außen öffnen", berichtete Petra Lehner in ihrem LdE-Schulbeispiel.

LdE ermöglicht Lehrer*innen eine neuartige pädagogische Rolle als Lernbegleitung

Karl Drews von der Max-Beckmann-Oberschule in Berlin berichtete in seinem LdE-Schulbeispiel: "Die Schüler*innen haben Unglaubliches geleistet, trotz Pandemie. Ich habe zum Teil staunend zugeguckt" – als diese sich beispielsweise mit Podcasts und Social-Media-Kampagnen für jugendliches Engagement oder gegen Diskriminierung einsetzten. Schülerin Paula Reuter sagte: Indem LdE-Lehrer*innen "die Zügel aus der Hand geben", würden Schüler*innen merken, dass ihnen etwas zugetraut wird, und Lehrer*innen viel mehr in der Begleitung und Unterstützung von Ideen erleben, anstatt vorzugeben, was zu lernen sei. "Lehrer*innen sind Teil eines Lernprozesses, den sie begleiten, den die Schüler*innen am Ende aber für sich machen, und miteinander."

Diese Worte dürften ihre Lehrerin Romana Schneider vom Pestalozzi Gymnasium in Stadtroda gefreut haben: "Die größte Aktivität muss auf der Seite der Schüler*innen sein, um sich weiterentwickeln zu können", ist sie überzeugt – im Einklang mit der Bildungsforschung: So ändere sich die Rolle von Lehrer*innen hin zu "Designer*innen von Lernumgebungen", wie es Prof. Dr. Olaf-Axel Burow beschrieb. Hand in Hand geht damit, wie sämtliche Beziehungen innerhalb einer Schulgemeinschaft durch LdE in Bewegung geraten, wie die vielseitigen LdE-Praxiseinblicke und Austauschformate unserer Tagung zeigten.

Einer Schulgemeinschaft offenbaren sich viele Wege, sobald sie sich auf ein Ziel verständigt

Dr. Joachim Herrmann, langjähriger Begleiter von Schulen in Veränderungsprozessen, berichtete: "Was heißt eigentlich Schule machen, in Deutschland, im Jahr 2021? Ich erlebe zunehmend, dass es schwierig wird Probleme zu lösen, wenn am Anfang nicht die Frage danach gestellt wird, wohin eine Schule perspektivisch will."

"Die Zusammenarbeit und Kooperation untereinander ist dadurch sehr gestärkt worden, dass wir uns einer anderen Lernkultur angenommen haben", sagte Lehrerin Romana Schneider vom Pestalozzi Gymnasium in Stadtroda, die LdE bereits seit 13 Jahren umsetzt, im Dialog mit ihrer Schülerin Paula Reuter. Mit Wirkung, wie diese berichtete: Durch LdE trage sich das Gelernte durchs Leben, "was ja eigentlich auch das Ziel von Lernen ist."

Schulleiter Ulf Nebe zeichnete im Impuls-Dialog nach, wie der Wunsch nach mehr Selbstwirksamkeit von Schüler*innen Ausgangspunkt für das Schulfach LdE am Hamburger Gymnasium Allee war: "In jeder Schule gibt es Kolleg*innen, die tolle Sachen machen. Gibt es aber auch eine Richtung, die die Schulgemeinschaft gemeinsam vorantreibt?" Wichtig sei dann, Gelegenheiten zu schaffen, um sich als Kollegium dazu verhalten zu können. "Damit meine ich keinen Beifall: Auch kritische Fragen müssen gestellt werden können. Aber: Es muss eine Idee im Raum sein, und das muss vielleicht auch eine große Idee sein."

LdE steht für Wandel – und Wandel braucht die breite Unterstützung von Vielen

... ein Grundsatz des bundesweiten Netzwerks Lernen durch Engagement, den wir als Bewegung seit 20 Jahren leben. Wir sind überzeugt: Vertrauensvorschüsse beflügeln uns alle. Und wichtiger als Perfektion sind Geduld, ein Glaube an den Prozess – und die gemeinschaftliche Zusammenarbeit.

So teilte Lehrerin Romana Schneider in ihrem Impuls-Dialog, wie sie Eltern von Anfang an rund um LdE mitnimmt, Schulleiter Ulf Nebe berichtete, wie sich die Reise seines Kollegiums hin zu einem Schulfach LdE gestaltete und auch Schüler*innen involviert wurden, und Petra Lehner zeigte in ihrem Schulbeispiel, wie LdE die lokale und kommunale Vernetzung stärkte, die generell gegeben sein sollte, und häufig dennoch nicht zustande kommt.

"Veränderungen entstehen dadurch, dass wir eine veränderte Umgebung schaffen", sagte Prof. Dr. Olaf-Axel Burow in seiner Keynote und legte dar, dass das sowohl neuartige Bilder von Bildung als auch neuartige Räume im System Schule fordere.

Dabei zeigt die Erfahrung einer Lehrerin, die seit 13 Jahren auf LdE setzt: "Man darf nicht zu schnell rennen, wenn alle mitkommen sollen", wie es Romana Schneider formulierte. "Das Vertrauen, Lernziele auch mit einer anderen Art von Arbeit zu erreichen, muss erst einmal wachsen", bemerkte Ulf Nebe: Selbstbestimmte Teilhabe sei für Lehrer*innen schließlich genauso wichtig wie für Schüler*innen.

Lernen durch Engagement kann die Lernkultur an Schulen verändern

Unter dieses Motto haben wir die diesjährige Service-Learning-Tagung gestellt, um gemeinsam zu erkunden, wie LdE-Praxis durch Schulen und durch LdE-Schulbegleitung zu einem Wandel von Bildung und schulischer Strukturen beiträgt. Mit welchen Eindrücken und Ergebnissen? Eine Auswahl:

  • In mehreren Programmpunkten hat das bundesweite Netzwerk gezeigt, wie LdE nachhaltig und strukturell in Schulen verankert ist, um jungen Menschen lebensnahes Lernen als aktive Mitglieder der Gesellschaft zu ermöglichen
  • Lehrer*innen tauschten sich darüber aus, dass LdE entlaste und das persönliche Wohlergehen als Lehrer*in steigere
  • Romana Schneider berichtete, wie ihre Schule durch LdE enger mit der Region verwoben sei und sich durch die lokale Vernetzung öffne
  • Karl Drews teilte, dass durch LdE ein Schatz in seiner Schüler*innenschaft gehoben werden konnte, sodass sich diese stärker beteilige und engagiere
  • In Ulf Nebes Augen als Schulleiter ermögliche LdE, auch "hehre Bildungsziele in den Präambel-Texten von Bildungsplänen" zu erreichen
  • Politische Bildung, Demokratiebildung und Persönlichkeitsbildung wurden weiter als relevante Anknüpfungspunkte vertieft, um LdE schulpraktisch und schulpolitisch zu verbreiten
  • LdE-Schulbegleiterin Marion Schlüter ordnete die LdE-Qualitätsstandards als Instrument ein, das Schulen konkret aufzeige, wohin ihre Schulentwicklung gehen kann
  • Petra Lehner legte dar, wie LdE auch heterogenen Lerngruppen ermöglicht, dass alle Schüler*innen einen individuellen Weg finden, um motiviert zu lernen
  • Schülerin Paula Reuter sagte, durch LdE habe ihre Lehrerin ein "vertrautes Verhältnis in der Klasse geschaffen" und die Überzeugung gefestigt, als junger Mensch etwas zu sagen zu haben

Dieser Austausch hat uns als Team der Stiftung Lernen durch Engagement bekräftigt: Lernen durch Engagement ist – mit den Worten von Prof. Dr. Olaf-Axel Burow – ein Weg "aus der erträumten Zukunft" stärkender und zeitgemäßer Bildung in die Gegenwart, und an engagierten Schulen in ganz Deutschland bereits gelebte Realität.

Unsere Aufzeichnungen:
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