Berufliche Orientierung mit LdE

Warum wirkungsvolle Berufliche Orientierung wichtiger wird

Tiefgreifende gesellschaftliche Entwicklungen des 21. Jahrhunderts stellen komplexe Anforderungen an Schulen und deren Berufliche Orientierung. In welchen Zahlen und Zusammenhängen drücken sich diese Entwicklungen aus? Werfen Sie einen Blick auf aktuelle Studien und warum die Potenziale von LdE entscheidend sind.

Chancen: Übergang von Schule in Beruf als soziale Frage

Wie erfolgreich junge Menschen nach der Schule in erste berufliche Erfahrungen, in Ausbildungen oder weiterführende Bildung übergehen, hängt von Faktoren ab, auf die sie kaum oder gar keinen Einfluss haben: Die Art des Schulabschlusses, ein migrantischer Hintergrund, der Bildungsgrad der Eltern und weitere Umstände, die die soziale Herkunft eines jungen Menschen prägen, geben die Lebenswege von Kindern und Jugendlichen zu häufig strukturell vor. Diese soziale Ungleichheit festigt, dass Jugendliche etwa bei der Suche nach Ausbildungsplätzen von den eigenen Eltern eine weitaus wichtigere Unterstützung erhalten als in der Schule. Hier kann Berufliche Orientierung, die Schüler*innen außerhalb ihrer Lebenswelt stärkende Erfahrungen ermöglicht, einen Unterschied machen.

Zahlen, Fakten & Quellen

Akademische Herkunft, akademische Zukunft

"Am Zugang zu akademischen Bildungsgängen manifestiert sich die Herkunftsabhängigkeit von Bildungswegen in Deutschland besonders deutlich: Während 83 von 100 Kindern aus akademischen Familien die gymnasiale Oberstufe besuchen, gehen nur 46 von 100 Kindern nichtakademischer Herkunft diesen Weg."

Entwicklungen und Perspektiven in der Berufsorientierung 2021 Bundesinstitut für Berufsbildung | S. 114

Von Zugängen, Optionen und Aussichten

"Jugendliche mit maximal (einfachem) Hauptschulabschluss und Menschen mit Migrationshintergrund erleben größere Schwierigkeiten als besser Qualifizierte, Deutsche oder Personen ohne Zuwanderungsgeschichte. Sie haben nur Zugang zu einer Handvoll an Ausbildungsberufen und damit deutlich eingeschränkte Berufswahloptionen, die zudem meist mit schlechteren Arbeitsbedingungen und Berufsaussichten verbunden sind."

Bildungsbericht 2020 Autorengruppe Bildungsberichterstattung | S. 174

Bildung der Eltern vor eigener Leistung

"Dass Studienberechtigte aus Nichtakademikerfamilien seltener ein Studium auf­nehmen, lässt sich dabei nicht (allein) auf herkunftsspezifische Unterschiede in den schulischen Leistungen zurückführen. Die spezifischen familiären Lernbedingungen und Unterstützungspotenziale führen zwar dazu, dass Studienberechtigte aus Akademikerfamilien im Schnitt bessere Abschlussnoten erzielen als Studienberechtigte aus nichtakademischen Elternhäusern. Anders als beim Übergang von der Grundschule aufs Gymnasium lassen sich herkunftsspezifische Disparitäten beim Übergang ins Studium jedoch kaum durch diese bestehenden Leistungsunterschiede erklären. Die sozialen Herkunftsunterschiede in der Studierwahrscheinlich­keit verändern sich nicht oder nur unwesentlich, wenn in die Analysen zur Studier­wahrscheinlichkeit zusätzlich auch die Abschlussnoten von Studienberechtigten einfließen."

Bildungsbericht 2020 Autorengruppe Bildungsberichterstattung | S. 185

Geringere Chancen für ausländische Jugendliche

"Ausländische Jugendliche weisen unabhängig von ihrem Schulabschluss deutlich geringere Chancen auf, eine vollqualifizierende Ausbildung zu beginnen."

Bildungsbericht 2020 Autorengruppe Bildungsberichterstattung | S. 158

Unterstützung durch Eltern, Internet, Schule

"Die Jugendlichen wurden auch danach gefragt, von wem sie bei der Ausbildungsplatzsuche unterstützt wurden. Hier stehen – wie bei vielen vergleichbaren Befragungen – die Eltern mit großem Abstand an erster Stelle (67 %). An zweiter Stelle kommt das Internet (41 %), dann wiederum mit großem Abstand die Schule (35 %)."

Ausbildungsperspektiven im zweiten Corona-Jahr 2021 Bertelsmann-Stiftung | S. 19

Faktor Geschlecht

"Als sehr persistent erweisen sich fachspezifische Geschlechterdisparitäten, die sich trotz der wachsenden Beteiligung von Frauen an der Hochschulbildung kaum verändert haben. Den geringsten Frauenanteil weisen – trotz leichter Zuwächse – nach wie vor die Ingenieurwissenschaften auf (25 %). Aber auch innerhalb einzelner Fächergruppen bestehen große Unterschiede. So beträgt der Frauenanteil in den ingenieurwissenschaftlichen Fächern Informatik, Elektrotechnik sowie Verkehrstechnik und Nautik unter 25 %, in der Architektur und in der Raumplanung dagegen 55 bis 62 %. Einen überdurchschnittlich hohen Frauenanteil von 60 bis über 80 % verzeichnen die Geisteswissenschaften, die Kunst und die Kunstwissenschaften, die Humanmedizin und die Gesundheitswissenschaften, die Psychologie, das Sozialwesen, die Erziehungswissenschaft und die Veterinärmedizin. Bei den Naturwissenschaften ist der Frauenanteil in der Physik mit 30 % am geringsten, in der Biologie und in der Chemie beläuft er sich dagegen auf 66 bzw. 49 %."

Bildungsbericht 2020 Autorengruppe Bildungsberichterstattung | S. 191-192

Arbeitswelt im Wandel: Kompetenz trotz Ungewissheit

Die Strukturen und Zusammenhänge unserer Gesellschaft verändern Digitalisierung und Globalisierung so schnell wie nie zuvor. Wie die Arbeitswelten aussehen werden, in denen Schüler*innen in naher Zukunft zurecht kommen müssen, wissen wir heute teilweise noch nicht. Dass dieser Wandel längst Teil unserer Gegenwart ist, wird an unterschiedlichen Stellen deutlich: Während sich die Anzahl anerkannter Ausbildungsberufe in den letzten 50 Jahren nahezu halbiert hat, differenzieren sich die zunehmenden, 2019 bereits mehr als 20.000 Studiengänge immer mehr aus. Diese Entwicklungen verlangen Schulen Berufliche Orientierung ab, die übergeordnete Kompetenzen fördert und stärkende Erfahrungen ermöglicht, um selbstbewusst auf den umso ungewisseren Lebensweg zu schauen.

Zahlen, Fakten & Quellen

Problemlöse-­, Kooperations-­ und Kommunikationsfähigkeiten

"Es ist anzunehmen, dass es in vielen Berufsbildern zu Verschiebungen im Aufgabenspektrum kommt, hin zu Tätigkeiten, die nicht einfach routiniert abzuwickeln sind. Schon jetzt werden in den Curricula neu geordneter Berufe – neben berufsfachlichen und digitalen Kompetenzen – nunmehr auch verstärkt überfachliche Kompetenzen wie Problemlöse-­, Kooperations-­ und Kommunikationsfähigkeiten adressiert."

Bildungsbericht 2020 Autorengruppe Bildungsberichterstattung | S. 176

Individuelle Reflexion statt Informationen über Berufsmöglichkeiten

"Nach Aussage der befragten Jugendlichen lernt man in der Schule eher über berufliche Möglichkeiten als darüber, welche Berufe zu einem passen. Man wünscht sich daher mehr Zeit und verstärkt Übungen zur Reflexion und Bewusstmachung von eigenen Interessen, Stärken und Werthaltungen. […] Schüler, die bereits Erfahrungen mit Übungen zur Selbstreflexion gesammelt haben, stellen deren Wichtigkeit und persönliche Relevanz für die berufliche Orientierung heraus."

Schule-Wirtschaft-Kooperationen – Was sagen Jugendliche dazu? 2018 SINUS-Institut & Netzwerk Berufswahl-SIEGEL | S. 15-16

"Der richtige Job" als Mythos der Vergangenheit

„Um auf die Automatisierung [der Arbeitswelt] zu reagieren, wird es für junge Menschen weniger darum gehen, den ‚richtigen‘ Job zu finden als darum, die 'richtigen' Kompetenzen zu erwerben, um in einer automatisierten und globalisierten Arbeitswelt erfolgreich zu sein.“

The New Work Smarts – Thriving in the New World Order 2017 Foundation for Young Australians | S. 6

Bildungsziel: ein eigener Kompass

"Bei Bildung geht es nicht mehr nur darum, den Lernenden etwas beizubringen; wichtiger ist, sie zur Entwicklung eines verlässlichen Kompasses […] zu befähigen, damit sie in einer zunehmend komplexen, unbeständigen und ungewissen Welt ihren eigenen Weg finden können." – Andreas Schleicher, Direktor des OECD-Direktorats Bildung und Kompetenzen

OECD-Lernkompass 2030 OECD-Projekt Future of Education and Skills 2030 | S. 8

Zunahme und Ausdifferenzerung von Studiengängen

"Insgesamt hat die Anzahl der in Deutschland angebotenen Studiengänge zwischen 2014 und 2019 um knapp 3.000 (entsprechend etwa 17 Prozent) zugenommen. [...] Die Analyse der im Jahr 2018 und 2019 neu in den HRK Hochschulkompass aufgenommenen Studiengänge zeigte, dass nur noch 20 Prozent der Studiengänge nach einem 'klassischen' Namensmuster, also z.B. 'Chemie' benannt werden. Die meisten Studiengänge beinhalten Teilbereiche von wissenschaftlichen Disziplinen, die Anwendung einer Disziplin auf ein bestimmtes Anwendungsfeld (Ausdifferenzierung) oder sie kombinieren verschiedene Disziplinen miteinander bis hin zur vollständigen Auflösung des disziplinären Bezugs in Gestalt von so genannten themenfokussierten Studiengängen (z.B. Gesundheitswissenschaften)."

Im Blickpunkt: Die Vielfalt der Studiengänge 2019 Centrum für Hochschulentwicklung | S. 1

Schwinden von Ausbildungsberufen

Entwicklung der Gesamtzahl der anerkannten oder als anerkannt geltenden Ausbildungsberufe in Deutschland:

  • 1971: 606
  • 2020: 324 (-47%)

statista abgerufen am 27.01.2022

Lücken: Stillstand im Übergang

Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz finden, Ausbildungsplätze, die unbesetzt bleiben, und der Abbruch von Studium oder Ausbildung: Dass junge Menschen nach der Schule nicht Fuß fassen, um den nächsten Schritt in Richtung Lebensplanung und Beruf zu gehen, zeigt sich an vielen Stellen und ist empirisch umfangreich dokumentiert. Damit einher geht ein Auseinanderdriften dessen, was Arbeitsmärkte bieten und junge Menschen suchen. Diese Entwicklungen spitzen sich während der Corona-Pandemie zusätzlich zu. Umso wichtiger wird dadurch, dass Schüler*innen sowohl eigene Interessen und Stärken kennen als auch die vielfältigen Angebote der die Betriebe in ihrer unmittelbaren Umgebung.

Zahlen, Fakten & Quellen

Unbesetzte Stellen, unversorgte Bewerber*innen

"Ende September 2020 standen den 59.900 unbesetzten Ausbildungsstellen (+12,8 %) 29.300 gänzlich unversorgte Bewerberinnen und Bewerber (+19,7 %) gegenüber. So ist sowohl der Anteil der unbesetzten Stellen am betrieblichen Angebot als auch der Anteil der noch suchenden Bewerberinnen und Bewerber an der Nachfrage im Vergleich zum Vorjahr gestiegen."

Berufsbildungsbericht 2021 Bundesministerium für Forschung und Bildung | S. 3

Besonders kleine Betriebe leider unter Mangel an Bewerbungen

"So ist der Mangel an Bewerbungen aus Sicht der Betriebe der mit großem Abstand bedeutendste Grund für den Rückgang der Neuverträge. Knapp der Hälfte der betroffenen Betriebe nennt als Hauptgrund einen Mangel an Bewerbungen im Allgemeinen. Kleinere Betriebe leiden darunter besonders stark. Ein Mangel an geeigneten Bewerbungen wird von den Betrieben als zweithäufigste Ursache für die gesunkene Zahl an neuen Ausbildungsverträgen genannt. Insbesondere größere Betriebe geben an, dass es ihnen an geeigneten Bewerbungen fehlt."

Corona-Krise: Folgen für den Arbeitsmarkt 2021 Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

Der Ausbildungsmarkt schrumpft

"Auch auf dem Ausbildungsmarkt 2020 hat die Corona-Pandemie deutliche Spuren hinterlassen. So ist erstmalig seit 1992 die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im dualen System auf unter 500.000 gesunken. Der Bericht skizziert einen nahezu parallelen Rückgang des Angebots der Betriebe und der Nachfrage junger Menschen. Die Folge: Der Ausbildungsmarkt schrumpft."

Berufsbildungsbericht 2021 Bundesministerium für Forschung und Bildung | Vorwort

Abbruch der Ausbildung

"Im Jahr 2019 wurden nach den Ergebnissen der Berufsbildungsstatistik der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder bundesweit 154.149 Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst. […] Die Lösungsquote lag demnach auch 2019 wieder leicht oberhalb des üblichen Schwankungsbereichs seit Anfang der 1990er-Jahre (20 % bis 25 %). […] Verschiedene Studien, die Auszubildende und Ausbildungsbetriebe nach den Ursachen von vorzeitigen Vertragslösungen befragen, nennen folgende Gründe: Konflikte mit Ausbilderinnen/Ausbildern und Vorgesetzten, eine mangelnde Ausbildungsqualität, ungünstige Arbeitsbedingungen, aber auch persönliche und gesundheitliche Gründe sowie falsche Berufsvorstellungen."

Berufsbildungsbericht 2021 Bundesministerium für Forschung und Bildung | S. 78

Abbruch im Bachelorstudium

"… dass 27 % der Studienanfängerinnen und -­anfänger im Bachelorstudium das Studium abbrechen."

Bildungsbericht 2020 Autorengruppe Bildungsberichterstattung | S. 198

Da der erfolgreiche Übergang von der Schule in den Arbeitsmarkt einen zentralen Aspekt von gesellschaftlicher, ökonomischer und sozialer Teilhabe darstellt, ist die Ausgestaltung dieses Übergangs aus jugendpolitischer Perspektive von enormer Bedeutung.

Jugendstrategie der Bundesregierung 2019
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