Fünf Jahre lang leitet Angela Ettenreich-Koschinsky das Sonderpädagogische Förderzentrum München Mitte 2: eine Schule mit langjähriger Erfahrung in Lernen durch Engagement. Was die Kinder dadurch erleben: Motivation, Teamgeist, Selbstwirksamkeit – und dass das eigene Wohlergehen zählt. Ein Protokoll
Unsere Schule ist ein Sonderpädagogisches Förderzentrum mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und emotional-soziale Entwicklung. Um unsere Kinder zu erreichen, müssen wir individuell auf sie zugehen, die Schüler*innen ins Zentrum des Unterrichts stellen und Inhalte handlungsbasiert aufbereiten. Für all das eignet sich Lernen durch Engagement extrem gut.
Wenn wir bei LdE beispielsweise einen Schulgarten anlegen oder einen benachbarten Friedhof bepflanzen, kommen dafür Expert*innen in unsere Schule: Das ist gerade für unsere Kinder ein großer Gewinn, weil ein Sonderpädagogisches Förderzentrum für viele immer noch ein Stigma ist. Es ist wunderbar, wenn die Kinder erleben, dass sich andere für sie und unsere Schule interessieren und oft positiv überrascht sind, was hier geleistet wird. Vor allem können sich dadurch die Kinder selbst frei machen von Vorurteilen, indem sie in der Zusammenarbeit mit externen Personen glänzen.
Dass die Schüler*innen derart stolz auf das sind, was sie bei LdE leisten, hat viel mit der Möglichkeit zu tun, sich aktiv einbringen zu können: Ihre Ideen zählen, sie werden gefragt. LdE-Lehrerin Verena Böhl hat Tausende Ideen für neue Projekte: ob Müllzangen für eine saubere Schulumgebung oder eine Kooperation mit einem Gymnasium zu Social Media und Werten. Sie schafft es aber eben auch, die Kinder eigene Ideen entwickeln zu lassen. Für mich bedeutet das, den Lebensweltbezug der Kinder als pädagogisches Prinzip zu leben. Es waren beispielsweise Schüler*innen, die darauf kamen, ein Wörterbuch zu zentralen Begriffen und Formulierungen des Schulalltags zu gestalten: eine Idee, um vielen Eltern die Kommunikation zu vereinfachen.
Das Besondere bei LdE ist das gemeinsame Tun und ein gemeinsames Ziel zu haben. Obwohl Zusammenarbeit auch überfordern oder sogar nerven kann, weil andere nicht immer tun, was ich möchte, wirkt das LdE-Projektlernen deeskalierend, es stärkt Teams, das soziale Miteinander und sogar unser Schulklima. Denn: Es geht nicht darum, wer etwas besser macht als andere, sondern darum, etwas gemeinsam auf die Beine zu stellen. Hinzu kommt der Rollenwechsel, als Kind nicht nur Hilfe zu empfangen, sondern selbst auch eine Hilfe sein können: Das hat eine sehr stärkende Wirkung.
Denke ich an Lernen durch Engagement, kommen mir drei Begriffe in den Sinn: Motivation, Teamgeist und Selbstwirksamkeit. Das kann ich an einem einfachen Beispiel aufzeigen: Wenn ich gut malen kann, aber weniger gut rechne – dann ist es für mich ganz toll, wenn meine Stärke mehr zählt als ein vermeintliches Defizit und die Klasse am Ende mein Bild für unser bebildertes Wörterbuch auswählt.
Unsere Kinder erleben zudem häufig Schamgefühle, wenn sie etwa merken, dass das Nachbarskind in derselben Klassenstufe das ein oder andere schon besser macht – und unsere Gesellschaft ist da leider ziemlich grausam, weil ganz stark verglichen wird. Ich denke, es tut jedem Menschen gut, in einem Bereich eine Bestätigung zu erfahren, um Mut zu fassen und sich Schwierigkeiten zu stellen.
Die psychische Gesundheit spielt eine bedeutende Rolle für unsere Zufriedenheit. Schon weit vor der Corona-Pandemie haben wir jedoch gemerkt, wie stark Eltern heutzutage beansprucht sind vom Alltag – Zeit und Geduld für die Belange der Kinder bleiben immer wieder auf der Strecke. Und soziale Medien erhöhen nicht nur auf Schüler*innen den Druck. Wir als Schule sind nicht nur ein Lernort, sondern haben auch einen Erziehungsauftrag: Dazu zählt in meinen Augen, jungen Menschen zu vermitteln, wie sie psychisch und physisch gesund durchs Leben gehen können – für mich ist das eine Art Werteorientierung, die der Persönlichkeitsentwicklung dient.
Waren die Schüler*innen einmal erfolgreich, trauen sie sich beim nächsten Mal wieder ein Stück mehr zu. Das ist extrem wertvoll für die Persönlichkeitsbildung der Kinder – und motivierend für die Lehrkräfte, die immer wieder neue Wege gehen können. Als Pädagogin zu merken, dass die Kinder „anbeißen“, ist sinnstiftend und macht zufrieden.