27. Mai 2021 Open Knowledge Foundation im Interview

"Open Source Software macht Technologie demokratischer"

Wie hängt Software-Programmierung mit Demokratie zusammen? Wir haben Patricia Leu von der Open Knowledge Foundation gefragt: Die Organisation fördert digitale Innovationen, um Wissen zugänglicher und unsere Gesellschaft mündiger zu machen

Patricia, Du arbeitest beim Prototype Fund, einem Programm der Open Knowledge Foundation. Was macht Ihr?

Wir setzen uns für offenes Wissen ein, das ist unser übergeordnetes Ziel. Dabei geht es um Informationsfreiheit, offene Daten und das Wissen über Zugänge: Wie kann ich als Bürger*in und Konsument*in dieses und jenes erfahren, hinter die Kulissen blicken, Einsicht nehmen oder auch Einfluss? Und unsere Mittel sind immer digital: Wir sind überzeugt, dass Technologie und Software in ganz vielen Bereichen unseres Zusammenlebens eine zentrale Rolle einnehmen und neue Wege der Zusammenarbeit, der Kommunikation etc. aufzeigen können. Mit dem "Prototype Fund" fördern wir deshalb das Innovationspotenzial in der Gesellschaft: Hier geht es um Open Source Technologie und Public Interest Tech.

Was verbirgt sich dahinter?

Open Source Technologie steht für Software, deren Quellcodes offen zugänglich sind: Das ermöglicht uns allen zu erfahren, wie genau ein Programm funktioniert, was mit unseren Daten geschieht etc. Dabei geht es weniger um das Endprodukt, sondern vor allem darum, wie diese Programme entwickelt werden – nämlich gemeinschaftlich und auf transparente Art und Weise. Public Interest Tech beschreibt Technologie aus der Gesellschaft für die Gesellschaft, sozusagen: Entscheidend ist ein gesellschaftlicher Mehrwert.

Kannst Du uns Projektbeispiele geben?

Bislang haben wir 219 Projekte gefördert, die sehr unterschiedliche Themen hatten: Demokratieförderung, Inklusion und Diversity, Solidaritätsprojekte, Umwelt und Nachhaltigkeit, Stadt und Mobilität, Sicherheit. Oh my Git! zum Beispiel ist ein Programm, das spielerisch an ein System namens "Git" heranführt, auf der Open Source Programme vorgestellt und gemeinsam entwickelt werden – die kann nämlich ziemlich abschreckend wirken. Das Spiel wird ziemlich bejubelt: Es nimmt Interessierte aus der breiten Masse an die Hand und vereinfacht, sich zurecht zu finden und mitzumachen.

HackingPoliticsOnline als anderes Beispiel ist eine App zur gemeinsamen Entwicklung von Stadtratsanträgen: Menschen, die noch nicht viel Erfahrung mit Politik gemacht haben, lernen so Schritt für Schritt, kommunale Anträge zu stellen und auch zusammen mit Mandatsträger*innen zu entwickeln – ein super Einstieg in politisches Engagement, was auch zeigt, dass Politik eben auf lokaler Ebene beginnt. Und Projekte wie Sensor.Community oder Luftdaten.Info drehen sich um Luftverschmutzung: Über eine Software werden Sensoren eingesetzt, um Luftdaten zu kartieren. So können sich Menschen dem Thema Big Data oder auch künstliche Intelligenz nähern, und haben gleichzeitig einen konkreten Nutzen, um ihre eigene Umgebung einordnen zu können – im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit wird oft ein fachlicher Lerneffekt mit lokalem Wissen verbunden.

Welche Möglichkeiten bietet Software-Entwicklung jungen Menschen?

An vielen dieser Projekte finde ich spannend, dass Menschen, die bislang keinen Hang zu Technologie hatten, über ein eigenes, ganz anderes Thema digitale Möglichkeiten entdecken und darüber Interesse für ihr Anliegen wecken – sei es Demokratie, Datenschutz oder Diversität. Dahinter steckt das Thema digitaler Mündigkeit: Wer sich ein bisschen auskennt, benutzt nicht jedes beliebige Programm und kann sich besser schützen, etwa vor den Zwängen großer Dienste – sogenannter "Datenkraken". Bei erstaunlich vielen Dingen haben wir Möglichkeiten, uns zu widersetzen, Einfluss zu nehmen und auch Aufmerksamkeit zu schaffen, damit Themen auf die politische Agenda gelangen. Von der Tech-For-Good-Bewegung etwa rund um nachhaltige Technologien haben junge Menschen, die sich einbringen, genauso viel wie wir als Gesellschaft.

Warum ist wichtig, wie Technologie entsteht?

Die Open Source-Community ist von Austausch und Zusammenarbeit geprägt und bringt viele Perspektiven zusammen. Auf Plattformen wie "Github" können wir alle reinschauen, Fragen stellen, Vorschläge einbringen, Kritik äußern etc. Viel mehr Meinungen gehen da rein, viel mehr Expertise und unterschiedliche Hintergründe. Und das macht Software nicht nur demokratischer, sondern schlussendlich auch besser. Technologie kann entscheidende Hürden abbauen – je nachdem, wie sie eben entsteht. Wenn sie partizipativ und gemeinschaftlich entwickelt wird, zusammen mit uns als Nutzer*innen und in unserem Interesse, dann gewinnt unsere Demokratie daran ganz entscheidend.

Vielen Dank für das Gespräch!


Das Interview führte Natalia Bronny

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