Grundschulbildung mit LdE

Warum es wichtig ist: Bildungsgerechtigkeit

Warum sind die pädagogischen Effekte von Lernen durch Engagement für die Grundschulbildung besonders relevant? Weil hier umso mehr über erfolgreiche Lernbiografien entschieden wird und inviduelle Förderung den Unterschied fürs Leben machen kann: ein Überblick

Bildungs(un)gerechtigkeit in Deutschland

2022 bestätigt die OECD abermals: In Deutschland hängt der Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen nach wie vor besonders stark davon ab, über welche Ressourcen die Familien der Schüler*innen verfügen. Das umfasst Ressourcen ökonomischer, kultureller und/oder sozialer Art. Rund zwei Jahrezehnte nach der ersten PISA-Studie hat unsere Gesellschaft immer noch keine wirksamen Hebel gefunden, um allen Kindern und Jugendlichen wirkungsvolle Bildung und soziale Mobilität zu ermöglichen.

Für den Bildungserfolg und die gesellschaftliche Teilhabe gelten insbesondere Lese- und Sprachkompetenzen als zentral: Die Ergebnisse des IQB-Bildungstrend 2021 zeigen jedoch einen alarmierenden Abwärtstrend, was den Erwerb grundlegender Kompetenzen wie Lesen, Schreiben, Rechnen sowie Zuhören während der Grundschuljahre anbelangt. Der Rückgang durchschnittlich erreichter Basiskompetenzen seit 2016 liegt mittlerweile bei einem Viertel bis zu einem halben Jahr. Dieser Trend betrifft nicht alle Grundschüler*innen gleichermaßen: Betroffen sind vor allem Kinder, die aus Familien mit einem niedrigen sozialökonomischen Status kommen und einen sogenannten Migrationshintergrund haben. Pandemiebedingte Einschränkungen haben diese Entwicklung weiter verstärkt.

Dabei sind nicht nur grundlegende kognitive Kompetenzen für die Entwicklung von Kindern entscheidend: Ebenso ist es die schulische Erfahrung von Selbstwirksamkeit, die eine zentrale Ressource für unterschiedliche Entwicklungsbereiche darstellt – etwa für erfolgreiches Bewältigen von Herausforderungen und Belastungen, für motiviertes Lernen und für Strategien der Selbstregulation stellt (vgl. Jerusalem 2022, S.5, vgl. SWK 2022, S. 75).

Grundschule als Fundament fürs Leben

Der Grundschulbildung kommt eine besondere Rolle zu, denn die Lebensverlaufsforschung zeigt, dass Bildungsprozesse vom Baby- bis zum Jugendalter kumulativ verlaufen – also aufeinander aufbauen. Das gilt nicht nur für akademische Merkmale: Auch nachhaltiges Engagement entwickelt sich vor allem dann, wenn Menschen bereits in jungen Jahren erfahren, dass ihr Urteil zählt und sie ihr eigenes Umfeld sowie die Gesellschaft mitgestalten können (Deutsches Kinderhilfswerk e.V., 2017).

Was ist mit einem "kumulativen Bildungsprozess" gemeint?

"Die Lebensverlaufsforschung zeigt, dass heute die Bildungsprozesse vom Baby bis zum Greis meist kumulativ verlaufen [...]. Das heißt, sie vollziehen sich nach dem Matthäus-Prinzip: Wer in einem bestimmten Lebensalter bereits ein höheres Bildungs- oder Kompetenzniveau erreicht hat, der hat auch im nächsten Schritt die jeweils bessere Chance, diese Vorteile noch weiter auszubauen. Kompetenzunterschiede zwischen verschiedenen sozialen Gruppen verschärfen sich deswegen tendenziell über den Bildungs- und Lebensverlauf." (Blossfeld et al. 2019)

Lernerlebnisse der ersten zwei Schuljahre prägen als "Anfangsunterricht" maßgeblich die generelle Einstellung der Kinder zum Lernen. Um alle Kinder in ihrer Sozialisation gleichermaßen zu erreichen, kommt der Grundschule daher eine Schlüsselrolle zu: Sie schafft die Basis für eine erfolgreiche Bildungslaufbahn und breite gesellschaftliche Teilhabe.

Umso wichtiger ist, dass Kinder die Grundschule als positiven Erfahrungsraum erleben, der sie durch partizipative, authentische und kooperative Lernumgebungen in grundlegenden Kompetenzen stärkt. So können Lehrer*innen sie bestmöglich darin unterstützen, mit Zuversicht auf die Gestaltung ihres weiteren Bildungswegs und ihrer Zukunft zu blicken.

Mehr Bildungsgerechtigkeit mit LdE

Vor dem Hintegrund, dass Lerngruppen in Grundschulen umso heterogener sein können und erfolgreiches Lernen in dieser Lebensphase besonders weitreichende Konsequenzen hat, kommt es auf Lernumgebungen an, die Kinder umso individueller wirkungsvoll fördern. Die Didaktik hinter LdE begünstigt dies grundsätzlich – auf Ebene der Sicht- sowie der Tiefenstrukturen von Unterricht:

Kompetenzorientiertes Lernen: Neben kognitiven Fertigkeiten und Fähigkeiten ("Wissen" und "Können") entscheiden auch motivationale, volitionale und soziale Bereitschaften sowie Fähigkeiten ("Wollen") über wirkungsvolles Lernen. Um dies zu fördern, stehen beim kompetenzorientierten Lernen durch Engagement Aspekte im Mittelpunkt wie die kognitive Aktivierung von Schüler*innen, das selbststätige Arbeiten sowie Aufgabenstellungen, die den Kompetenzerwerb durch das Lösen von Problemen ermöglichen. 

Die Rolle der Lehrperson: Ob Lehrer*innen eher anleitend oder begleitend auftreten, hängt generell von der jeweiligen Lernphase ab. LdE begünstigt ko-konstruktive Lernphasen, in der die Lehrperson konstruktiv unterstützt und begleitet, sodass Kinder und Jugendliche an Handlungsfähigkeit, Mitbestimmung und Verantwortung für sich und ihren Lernprozess herangeführt werden. Schüler*innen kommen stärker ins Handeln und können Effekte ihres Tun auf sich selbst zurückführen: Die wichtige Erfahrung von Selbstwirksamkeit entsteht.

Pädagogische Beziehungsgestaltung: Wie sich die pädagogische Beziehung zwischen Lehrer*innen und Schüler*innen gestaltet, ist insbesondere in der Grundschule ein wichtiges Instrument individueller Förderung. Neben der Gestaltung des Unterrichts beeinflussen Lehrpersonen im persönlichen Kontakt genauso die Kompetenzentwicklung der Kinder. Das vielschichtige LdE-Lernen bietet Lehrer*innen Gelegenheiten, Schüler*innen in neuen Rollen zu erleben, das Miteinander zu diversifizieren und sichere Beziehungen zu festigen.

"In den 20 Jahren seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der ersten IGLU Studie hat sich im Hinblick auf die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland praktisch nichts verändert. Weiterhin gilt, dass sowohl der sozioökonomische Status als auch der Migrationshintergrund von Familien einen deutlichen Zusammenhang mit dem Bildungserfolg ihrer Kinder aufweisen."

IGLU Studie 2021 Lesekompetenz von Grundschulkindern
to top